Coldplays neues Album und die Anbetung des Eros
Kurz nach der Veröffentlichung im Jahr 2014 habe ich Ghost Stories, Coldplays sechstes Studioalbum, gekauft. Ich war damals gerade 16 Jahre alt und erinnere mich, dass meine Erwartungen durch den kalten, traurig-schönen Eröffnungstrack über den Haufen geworfen wurden. Dieser versetzte mich in eine Stimmung, die Ähnlichkeiten mit dem hatte, was C.S. Lewis „das Nordische“ nennt – die bittersüße Sehnsucht nach etwas, das über das normale Leben hinausgeht. Ghost Stories, bei dem es sich angeblich um ein Trennungsalbum handelt, rief ein solches Übermaß an enttäuschter Sehnsucht und Verlangen hervor, dass ich mich fragte, ob sich diese traurigen Liebeslieder nicht unbewusst nach etwas Himmlischen ausstreckten.
Seitdem hat Coldplay das optimistische Pop-Album A Head Full of Dreams, das eklektische Everyday Life und zuletzt Music of the Spheres veröffentlicht, das im vergangenen Oktober erschienen ist. In ihrer gesamten Diskographie erinnert die Musik von Coldplay immer wieder an „das Nordische“, das ich beim Hören von Ghost Stories empfand. Es handelt sich um irdische Popmusik mit einem Blick zum Himmel. Aus diesem Grund hatte ich hohe Erwartungen, auch im Album Music of the Spheres spirituelle Aspekte vorzufinden.
Die Suche nach „höherer“ Kraft in niederen Lieben
Als ich das Album zum ersten Mal hörte, hatte ich gerade Dantes Göttliche Komödie gelesen. Meine Gedanken kreisten um die glorreichen Sphären des Paradieses, wo Dante erkennt, dass seine Liebe zu Beatrice, seiner irdischen Geliebten, lediglich ein Abglanz der göttlichen Liebe ist, die ihn in die Gemeinschaft der Dreifaltigkeit bringen soll. Ich hatte auf ein Album mit einer ähnlichen Haltung gehofft – ein Album, das in den Dingen dieser Welt die Zeichen der jenseitigen Transzendenz sieht. Ein Album, das sich um die großen Fragen des Lebens dreht: um Zeit, Tod, Liebe und Gott. Doch das erste Lied des neuen Coldplay-Albums mit dem Titel „Higher Power“, der vor spiritueller Bedeutung nur so strotzt, offenbarte schnell den enttäuschenden Charakter des Projekts.
Die „höhere Macht“ des Songs ist einfach ein romantischer Partner, der den Sänger aus seiner Niedergeschlagenheit erhebt und dazu einlädt, das Leben zu feiern. Es handelt sich um einen eingängigen und unterhaltsamen Song, aber er bestätigte meine Befürchtungen. Was eine Meditation über eine tatsächliche „höhere Macht“ hätte sein können, dreht sich am Ende doch nur um ein Mädchen. Oder christlicher ausgedrückt: Was ein emotional ehrliches Album über Agape hätte sein können, entpuppt sich als ein weiteres Album über Eros. In der christlichen Tradition ist Agape die höchste Form der Liebe, weil sie Christi selbstaufopfernde Tat am Kreuz für die Menschheit beschreibt. Sie ist das Herzstück Gottes – der Dreieinigkeit von Personen, die immerzu geben. Eros hingegen ist eine menschliche Form der Liebe, die (unerlöst durch Agape) zu einem schrecklichen, nehmenden Götzen wird.
„Es ist, als würde man von einem Teich verlangen, das Meer zu fassen. Das Menschliche soll so befriedigen, wie nur Gott es kann.“
Ich habe nichts gegen Liebeslieder, doch diese erhabenen Vorstellungen von erotischer Liebe als irgendwie göttlich, erlösend und allumfassend versprechen mehr, sie halten können. Es ist die Suche nach kosmischer Erfüllung in irdischer Romantik. Es ist, als würde man von einem Teich verlangen, das Meer zu fassen. Das Menschliche soll so befriedigen, wie nur Gott es kann.
Fehlplatzierte Transzendenz
Coldplay ist nicht allein darin, romantische Liebe als ein Mittel zur spirituellen Erfüllung und Selbstverwirklichung zu betrachten. Unsere Popkultur in allen ihren Facetten vermittelt uns ständig die Botschaft, dass der eine romantische Partner das Potenzial hat, all unsere emotionalen Bedürfnisse zu füllen, uns „ganz zu machen“ und die Sehnsüchte unserer Seele zu stillen – zumindest für den Moment. Ob in Dating-Shows wie The Bachelor oder romantische Komödien auf Netflix – romantische Liebe (Eros) wird in unserem säkularen Zeitalter zu einem Phänomen spiritueller Transzendenz erhöht. Wir hören auch, dass Gefühle und Emotionen die primären Indikatoren dafür sein sollen, dass wir den sagenumwobenen „Seelenverwandten“ gefunden haben. Aber was ist, wenn Gefühle nicht ausreichen? Oder noch schlimmer: Angenommen, wir verlieben uns in die Gefühle und nicht in die Person selbst?
„Ein Großteil der Musik in Spheres vergöttert wie so vieles in der Popkultur das berauschende Gefühl des Verliebtseins, anstatt die selbstlose, engagierte Hingabe an das Objekt unserer Liebe zu feiern.“
C.S. Lewis thematisiert dies in seinem Buch The Four Loves. Er bejaht Eros im Kontext einer Ehe zwischen Mann und Frau als einen guten Teil der göttlichen Schöpfung. Anders als manch irrender Christ verurteilt er weder die Sexualität noch den Körper. Interessanterweise warnt er auch nicht vor den Gefahren der Vergötterung eines romantischen Partners, sondern vor der Vergötterung der Romantik selbst:
„Die wirkliche Gefahr scheint mir nicht zu sein, dass die Liebenden einander vergöttern, sondern dass sie den Eros selbst vergöttern.“
Wenn die erotische Liebe über alle anderen moralischen Werte gestellt wird, tyrannisiert sie das Leben derer, die in ihrem Bann stehen. Ein Großteil der Musik in Spheres vergöttert wie so vieles in der Popkultur das berauschende Gefühl des Verliebtseins, anstatt die selbstlose, engagierte Hingabe an das Objekt unserer Liebe zu feiern. Es kommt nicht auf die Person an, sondern darauf, wie die Person mich fühlen lässt.
Größere Liebe
Aus diesem Grund, so Lewis, muss der Eros beherrscht werden: „Der Eros-Gott muss entweder sterben oder zum Dämon werden, außer er gehorcht Gott.“ Es geht nicht darum, sich dem Eros oder anderen Neigungen zu verschließen, sondern zu erkennen, dass wahre Liebe von Gott ausgeht, von ihm bestimmt wird und nur unter seiner Herrschaft wirklich das sein kann, was sie sein soll. Schließlich hat Gott Sex und romantisches Verlangen geschaffen. Eros verweist von seinem Wesen her auf Gott und befriedigt uns dann am meisten, wenn wir dadurch angespornt werden, unsere größere Befriedigung in Gott zu finden. Doch wenn die Kunst Eros als Selbstzweck zelebriert und die Schöpfung anstatt den Schöpfer anbetet (Röm 1,25), wird sie zum Götzendienst und verfehlt bedauerlicherweise das Ziel der wahren Transzendenz.
„Wenn die Kunst Eros als Selbstzweck zelebriert und die Schöpfung anstatt den Schöpfer anbetet, wird sie zum Götzendienst und verfehlt bedauerlicherweise das Ziel der wahren Transzendenz.“
Das Album von Coldplay – wie so vieles in unserer Sex-durchtränkten, aber spirituell verarmten, modernen Welt – verpasst das Objekt, das es der romantischen Liebe erlauben würde, das zu sein, was sie sein soll: ein Geschenk und ein Hinweis auf den ultimativen Liebhaber unserer Seelen.